Die Erweiterung menschlicher Kognition mit Generativer KI

Die Erweiterung menschlicher Kognition mit Generativer KI

Künstliche Intelligenz ist längst nicht mehr nur ein Zukunftsthema. Programme wie ChatGPT, Gemini oder Claude schreiben Texte, analysieren Daten, lösen mathematische Aufgaben oder geben Investment-Tipps – und das oft in Sekunden.

Doch es gibt ein Problem: Viele Menschen nehmen die KI-Ergebnisse einfach hin. Je öfter man dies tut, desto weniger denkt man selbst kritisch nach. Diese Entwicklung betrifft nicht nur IT-Spezialisten, sondern Schüler, Ärzte, Unternehmer, Führungskräfte – eigentlich uns alle.

Die Kernfrage lautet also: Wie gestalten wir KI so, dass sie unser Denken anregt, uns neue Perspektiven zeigt und uns hilft, bessere Entscheidungen zu treffen – ohne uns die Verantwortung abzunehmen?

End-to-End-Lösungen – schnell, aber riskant

Bei einer klassischen „End-to-End“-Lösung gibt die KI gleich das fertige Ergebnis aus. Das kann Zeit sparen, birgt aber Risiken:

Zunehmende Abhängigkeit – ähnlich wie bei GPS: Wer jahrelang nur nach Navi fährt, verlernt, Karten zu lesen.

Übervertrauen in schwierigen Situationen – bei komplexen oder unsicheren Entscheidungen tendieren Menschen dazu, blind zu folgen.

Belastung bei Fehlern – wenn die KI falsch liegt, muss der Mensch erst aufwendig überprüfen, ob der Vorschlag stimmt.

Beispiel Alltag – Schule:

Ein Schüler fragt eine KI nach einer Mathehausaufgabe. Die KI gibt sofort die richtige Lösung mit Rechenschritten. Nach einigen Wochen macht der Schüler keine eigenen Versuche mehr – er versteht das Thema nur oberflächlich und fällt im Test durch.

Prozessorientierte Unterstützung – der bessere Weg

Statt einfach das Endergebnis zu liefern, kann KI den Menschen Schritt für Schritt begleiten. Sie erkennt, wo die größten Schwierigkeiten liegen, und gibt gezielte Hinweise, die zum Nachdenken anregen.

Beispiel Luftfahrt:

Piloten erhielten über ein KI-System kontinuierlich aktualisierte Wetter-, Treibstoff- und Flugplatzdaten, statt nur eine finale „Empfehlung zum Ausweichen“. Das hielt sie aktiv im Entscheidungsprozess und verhinderte Übervertrauen.

Beispiel Börse:

Ein Chatbot stellte Investoren gezielte Fragen wie: „Haben Sie das Risiko X bedacht?“ – so wurden emotionale Kurzschlussentscheidungen vermieden.

Beispiel Medizin:

Ein KI-Tool zur Krebsdiagnostik markiert verdächtige Bildbereiche und erklärt, warum sie auffällig sein könnten – der Arzt bleibt der Hauptentscheider, bekommt aber eine fundierte Unterstützung.

Generative KI in der Praxis – zwei Ansätze im Vergleich

In einem Experiment mit Investitionsentscheidungen gab es zwei Versionen eines KI-Systems:

Recommend AI – lieferte sofort das optimale Portfolio.

Extend AI – ließ den Nutzer erst seinen Plan formulieren und ergänzte dann Feedback, um blinde Flecken aufzudecken.

Ergebnis: Mit ExtendAI erstellten Teilnehmer besser diversifizierte Portfolios, verstanden ihre eigenen Entscheidungen besser und übernahmen mehr Verantwortung.

Alltagsparallele – Unternehmensführung:

Ein Geschäftsführer, der direkt eine fertige KI-Strategie umsetzt, übernimmt wenig Verantwortung, wenn es schiefgeht („Die KI hat’s vorgeschlagen“). Nutzt er aber ein System, das seine eigenen Pläne prüft und ergänzt, bleibt er aktiver Entscheider.

Vier Schlüssel für eine denkfördernde KI

Der richtige Zeitpunkt – zu früh beeinflusst die KI zu stark, zu spät ignoriert der Nutzer sie; ideal ist die Planungsphase.

Die passende Unterstützungsform – Rohdaten, gefilterte Infos oder Interpretationen – abhängig von der Aufgabe und der Erfahrung des Nutzers.

Gedanken ausdrücken lassen – der Nutzer sollte seine Überlegungen formulieren, um gezieltes Feedback zu bekommen.

Konstruktive Reibung – gezielte Denkanstöße, die kurz zum Innehalten zwingen, ohne den Prozess unnötig zu bremsen.

Fazit – KI als Denkpartner statt Ersatz

Generative KI sollte nicht nur Ergebnisse liefern, sondern unser Denken anregen. Eine gut gestaltete, prozessorientierte KI ist wie ein erfahrener Kollege, der nicht alles vorgibt, sondern die richtigen Fragen stellt. So bleiben wir selbst Entscheider – und profitieren gleichzeitig von der Rechen- und Analysepower der Maschine.


Quelle: Zhang, Z. T., & Reicherts, L. (2025). Augmenting Human Cognition With Generative AI: Lessons From AI-Assisted Decision-Making. CHI ’25 T4T Workshop, Yokohama, Japan. arXiv:2504.03207

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